Dresdner Kanalisationsgeschichte

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Teil 25: Kanalbetriebsalltag in der DDR

Der Dresdner Kanalbetriebsalltag war seit den 1970er Jahren von zunehmenden Betriebsproblemen geprägt. Im Altstädter Abfangkanal traten in Folge starker Ver- landung und baulicher Schäden „ernste Havariesituationen“ und Rückstau in die angeschlossenen Teilentwässerungsge- biete auf. Einige Kanalarbeiter, darunter Bernd Jäckel und Werner Hertzschuch, waren vorrangig mit dem Abarbeiten von
„ständig in großer Zahl eingehenden Störungsmeldungen“ beschäftigt. Viele Kanalbereiche bereiteten immer wieder aufs Neue Probleme. Oft konnten die tieferen Ursachen der Störungen nicht beseitigt werden.

Auch regelmäßige Reinigungsarbeiten standen auf der Tagesordnung. Die
„große Kolonne“ des Meisterbereiches (MB) Neustadt unter Vorarbeiter

Peter Schneider benutzte zur manuel- len Kanalreinigung vor allem Winde, Schrapper, Schaufel und Eimer. Der Ablauf gestaltete sich wie folgt: Bauwa- gen mit LKW heranfahren und aufstellen, Seil einschwimmen, Reinigungsgerät mit Winde durchziehen, Räumgut schaufeln und am Seil mit Eimer hochziehen, aufladen und abtransportieren. Manch- mal verbrachte man so mehrere Tage an
ein und derselben Kanalhaltung. Freitags standen meist Anfangsschächte auf dem Programm, die mittels Schwallspülungen mit Trinkwasser gespült wurden.

Organisation des Kanalbetriebes

Der Kanalbetrieb war in zwei Meisterbe- reiche gegliedert. Der MB Neustadt unter Leitung von Horst Schmutzler und des 

Meisterbrigadiers Erich Karbusika mit Sitz auf der Dr.-Kurt-Fischer-Allee unterhielt Stützpunkte auf der List-, der Boltenha- gener und der F.-F.-Finke-Straße.

Meister Schmutzler war engagierter SED- Funktionär und „Held der Arbeit“. Er legte gemeinsam mit seinen Kollegen großen Wert auf ein gutes Betriebsklima. Man veranstaltete Betriebsausflüge, Treffen mit der Patenklasse, Tanzabende und Feiern zu allen möglichen Anlässen. Zum
1. Mai war die Teilnahme an den zentral organisierten Großdemonstrationen eine offenbar von vielen nicht unwillig erfüllte Pflichtaufgabe. Regelmäßig wurde seine Brigade als „Kollektiv der sozialistischen Arbeit“ ausgezeichnet,
was auch mit Prämien verbunden und bei dem bescheidenen Stundenlohn eines Arbeiters besonders willkommen war.

Prämien gab es auch für Betriebsjubiläen und Neuerervorschläge. Kollege Gerhard Garmhausen erhielt z. B. für seinen
1973 eingereichten Verbesserungsvor- schlag „Kanalwagen Prießnitzstraße“ 254,11 Mark.

Der MB Altstadt wurde von Rudolf Großmann und Meisterbrigadier Lothar Dreyer geführt. Hauptsitz war die Weißeritzstraße, Stützpunkte am
Flügelweg und Tatzberg. Im Holzschuppen am Flügelweg befand sich auch die Bau- tischlerei, besetzt mit Otto Barnebeck.
Auf dem Tatzberg war das Ingenieur- und Anschlusswesen untergebracht. Abwas- serchef („Produktionsbereichsleiter“) war seit den 60er Jahren bis 1989 Herr Hanicke.

Fahrzeugausstattung

Die Fahrzeugausstattung des Kanalnetz- betriebes bestand Ende der 80er Jahre aus drei IFA W50 (Spüler 4 m³, Sattel- Sauger 8 m³ und Sauger 2,5 m³), einem Multicar, jeweils einem Barkas B 1000 Pritsche und Bus, einem Kleinlaster TV (Pritsche), einer Dieselameise (Multi- car 22) mit Anhänger, einem Trabant Kombi und diversen Handwagen. Vor allem die drei W50 brachten, trotz vorhandener technischer Schwächen,
deutliche Verbesserungen der Arbeitsbe- dingungen durch den Wegfall schwerer körperlicher Arbeit mit sich. Gegenüber schweren Ablagerungen und großen Haltungslängen waren sie allerdings machtlos. Und so verschlechterte sich der Reinigungszustand der Abfang- und Hauptkanäle weiter.

Verlandete Kanäle

In den Abfangkanälen schaffte man es seit etwa Mitte der 70er Jahre nicht mehr, regelmäßige Stauwagenfahrten durchzuführen. An der Rietzschelstraße fuhr sich 1975 ein Stauwagen fest und bildete über Jahre ein Abflusshindernis für Abwasser und Sohlsedimente. Erst 1991 wurde er geborgen.

Eine 1984 durch die Studenten Britta Baltruschat und Torsten Harz vorgenom- mene Schätzung ergab im Altstädter Abfangkanal eine Ablagerungsmenge von
11.400 m³. Im Bereich des Wasserwer- kes Tolkewitz war der Abfangkanal – auch in Folge der Einleitung von Wasserwerks- schlamm – fast vollständig verlandet. Es kam viermal täglich zum Abschlag von ca.
6.000 m³ Abwasser an fünf Stellen in die Elbe, bei Trockenwetter wohlgemerkt.

Abschläge bei Trockenwetter gab es auch im Neustädter Abfangkanal. Ursächlich waren neben Ablagerungen defekte Ar- maturen, so z. B. im Falle des abgesack- ten Streckenschiebers an der Trachauer Straße. In Folge verrosteter Schieberket- ten hing dieser 1983/84 über ein Jahr im Trockenwetter-Abflussprofil, bis er nach dem Nachschmieden des defekten
Kettengliedes endlich wieder herausgezo- gen werden konnte.

Das Ende

Der Zustand des Kanalnetzes am Ende der 1980er Jahre war symptomatisch für den der DDR-Wirtschaft. Die Tatsache, dass kaum noch Abwasser in Richtung Kläranlage floss, erwies sich, zumindest in klärtechnischer Hinsicht, von unter- geordneter Bedeutung: Im Januar 1987 sorgte eine Überflutung der Hauptpump- station der in jeder Beziehung maroden Kläranlage Kaditz für eine ungeplante Betriebspause – fast fünf Jahre lang flossen die Dresdner Abwässer ungeklärt in die Elbe.

Autor: Frank Männig, Stadtentwässerung Dresden GmbH, wird fortgesetzt.