Dresdner Kanalisationsgeschichte


Teil 13: Die Blasewitzer Kanalisation

Auf der Niederwaldstraße befindet sich an der Kreuzung mit der Voglerstraße ein Regenüberlaufbauwerk, an welches sich ein gut 500 Meter langer Auslasskanal auf der Oehmestraße anschließt. Zum Bauwerk hin führt ein Haubenprofilkanal. Der Drosselkanal läuft, zunächst als Eiprofil, bald ebenfalls als Haubenquerschnitt, über fast drei Kilometer in großem Abstand parallel zur Elbe und wendet sich erst im Gelände der Uniklinik in Richtung Fluss. Wie kam es zu dieser merkwürdigen Struktur des Kanalnetzes in diesem Bereich Dresdens? Ein kleines Dorf leistet Widerstand …

Mit den zwischen 1892 und 1912 erfolgten Eingemeindungen von Striesen, Tolkewitz und Seidnitz wurde die Blasewitzer Flur komplett vom Dresdner Stadtgebiet eingeschlossen. Zu dieser Zeit eine der reichsten Gemeinden in Sachsen, nahmen hier zahlreiche wohlhabende Bürger, Fabrikbesitzer, hohe Staatsbeamte, aber auch Künstler und Wissenschaftler ihren Wohnsitz und verwandelten das ehemalige Dorf zu einem wohlhabenden Villenvorort. Diesen Wohlstand wollte man so ohne weiteres nicht mit Dresden teilen und widersetzte sich lange den Eingemeindungsambitionen der großen Nachbarin.

1921 wurde dem Streitthema per Zwangsverordnung des Innenministeriums ein Ende gesetzt. Über Jahrhunderte ein Bauerndorf, erließ Blasewitz ab 1863 mehrere Bauordnungen, welche die Entwicklung zu einem exklusiven, harmonisch gestalteten Wohnund Ausflugsort regelten. Straßen wurden gebaut, Gas- und später auch Stromleitungen verlegt. Schon 1879 waren die letzten Bauerngüter zugunsten neuer Wohnbauten verschwunden, von welchen im Jahre 1900 eine stattliche Anzahl von 730 Stück existierten. Der ehemalige Dorfanger wandelte sich zum Schillerplatz. Ab 1872 sorgte die Pferdebahn von dort aus für eine Anbindung an den Pirnaischen Platz.

1893 folgte der Bau des Blauen Wunders. Den Waldparkverein hatte der im Sächsischen Innenministerium tätige Willibald Königsheim bereits im Jahre 1867 gegründet und so verfügte Blasewitz standesgemäß auch über einen schönen Landschaftspark. Das Wasserwerk Nachdem Verhandlungen mit der Stadt Dresden über eine Trinkwasserversorgung gescheitert waren, entschloss man sich, ein eigenes Wasserwerk zu errichten. Gelegen am heutigen Vogesenweg, versorgte es ab 1895 die Blasewitzer Einwohner aus einem 20 Meter tiefen Brunnen mit Grundwasser.

Ein Wasserturm auf der heutigen Heinrich-Schütz-Straße 17/19 diente als Gegenbehälter. Nach der Eingemeindung wurde das Wasserwerk bald wieder stillgelegt. Erst die Trinkwasserknappheit in der DDR-Zeit führte wieder zu einem kurzen Betriebsintermezzo. Das Kanalnetz Viele noch heute ihren Dienst verrichtende Blasewitzer Abwasserkanäle wurden zwischen 1885 und 1900 errichtet und man setzte konsequent auf den Werkstoff Steinzeug. Eine Ausnahme stellt aufgrund seiner – für Blasewitzer Verhältnisse – großen Nennweite von 60/90 (Zentimeter) der 1886 aus Sandsteinmauerwerk errichtete Kanal auf dem Schillerplatz dar. 

Er sorgte für eine geordnete Entwässerung des Ortszentrums mit seiner mittlerweile großstädtischen Bebauung. Entlang der damaligen Marschall- Allee (heute Händelallee) querte der 1889 als Kreisprofil DN 1500 aus Sandsteinmauerwerk errichtete, von der Borsbergstraße kommende alte Striesener Hauptkanal das westliche Ende von Blasewitz. Durch die 1892 vollzogene Eingemeindung Striesens wurde er zu Dresdner Besitz auf Blasewitzer Flur. Fünf Jahre später kam mit dem eingangs erwähnten Auslasskanal auf der Oehmestraße ein weiterer Dresdner Kanal zu einem ebensolchen Status.

Die Blasewitzer Abwässer wurden zunächst an mehreren Stellen direkt in den Fluss eingeleitet: über die Reinhold- Becker-, die Heinrich-Schütz-Straße (jeweils 1885 errichtet), am Schillerplatz (1886) sowie über die Kretschmerstraße (1904) und die Regerstraße (1908). Alle Grundstücke mussten über Abortgruben entwässern, für deren Bau und Betrieb es behördliche Regelungen gab. Der Grubeninhalt durfte zwischen Oktober und März in Gärten und auf Felder verbracht werden. Nachdem die öffentliche Wasserversorgung für ausreichend kühles Nass sorgte, setzen sich bald auch Wasserklosetts durch. Ein neuer Hauptkanal umgeht Blasewitz Auch die Entwicklung des südlich angrenzenden Stadtteils Striesen ging Ende des 19. Jahrhunderts rasant voran. Der Striesener Hauptkanal führte jedoch nur durch den westlichen Teil der Stadterweiterung.

Und so konzipierte Hermann Klette den Bau eines neuen, Blasewitz umgehenden Sammelkanals, um die Abwässer der östlich gelegenen Gemarkungsteile an die in Kaditz geplante Reinigungsanlage anzubinden. Die historischen Menselblätter verzeichnen für das Jahr 1897 die Errichtung des 3,4 Kilometer langen Hauptkanals entlang der Niederwald-, Kyffhäuser- und Teutoburger Straße samt Nebenkanälen. Zwei Regenentlastungsbauwerke begrenzen die hydraulische Belastung: das oben genannte auf der Vogler-/Oehmestraße und das an der Händelallee. Letzteres degradierte den alten Striesener Hauptkanal zum Auslasskanal. 

Nach 1900 wurden die Striesener Abwässer im Bereich des heutigen RÜB Johannstadt an den gerade errichteten Abfangkanal angebunden und ab 1910 in Kaditz geklärt. Abwasserklärung für Blasewitz! Im Jahre 1920 wurden weitere 500 Meter Abfangkanal zwischen Uniklinik und Händelallee errichtet. Der dort später vollzogene markante Schwenk der Trasse ins Elbvorland hinein erfolgte wegen des bereits in der Hochuferstraße liegenden Kanals, der zunächst am alten Striesener Hauptkanal angeschlossen war. Danach folgte eine inflationszeitbedingte Baupause. Erst 1926/27 wurde bis zur Schaufußstraße weitergebaut und alle bisher direkt in die Elbe mündenden Kanäle eingebunden. Blasewitz hatte somit auch abwassertechnisch den Anschluss an Dresden vollzogen. 

Autor: Frank Männig, Stadtentwässerung Dresden GmbH, wird fortgesetzt.