Große Chance für junge Afghanen in Dresden

Babrak Mehrabuddin steht am Sandfang der Kläranlage neben Reinhard Reißmann. Der aus Afghanistan stammende Abwassertechniker und der technische Ausbilder der Stadtentwässerung freuen sich, dass der 32-Jährige und zwei weitere Afghanen heute als Fachkräfte bei dem Unternehmen arbeiten können. „Die Arbeit macht mir Spaß“, sagt Mehrabuddin, der als stolzer Familienvater in Dresden wohnt. „Die Stadtentwässerung hat uns eine Chance gegeben. Das macht nicht jeder Betrieb.“

Der Tadschike stammt aus dem nordafghanischen Masar-e-Sharif, wo auch die Bundeswehr stationiert war. In seiner kriegsgeplagten Heimat sieht er jedoch keine Zukunft mehr und will ein besseres Leben. Deshalb kommt Mehrabuddin 2015 mit Schleppern über die Balkanroute zuerst ins bayrische Passau und später nach Dresden.

Hier kümmert er sich, einen Deutschkurs zu bekommen. „Damals war die Voraussetzung ein Alter bis 25 Jahre, ich war aber schon 26“, erzählt er. Doch nach mehreren Anläufen klappt es. Für ihn sei es nicht ganz so schwer gewesen, die neue Sprache zu erlernen. Neben seiner Muttersprache Dari, einem Dialekt des Persischen, kann er bereits Russisch und Englisch. Doch er will weiter und eine Berufsausbildung absolvieren.

Genau darum hat sich die Stadtentwässerung damals schon gekümmert. „Wir sind ein offenes Unternehmen und haben uns bereit erklärt, junge Asylsuchende auszubilden“, sagt Reißmann. Der 63-jährige Ingenieurpädagoge hat in seiner langen Laufbahn schon über 1.000 Lehrlinge ausgebildet, darunter in den 1980er-Jahren auch Vietnamesen und Kubaner. „Uns war jedoch klar, dass es schon allein wegen der Sprache nicht einfach wird.“ Um diese Mammut-Aufgabe zu bewältigen, schafft die Stadt mit ihren kommunalen Unternehmen die Basis.

Stadtentwässerungschefin Gunda Röstel vereinbart einen Termin, bei dem sich Vertreter der Rathaustöchter sowie der beiden Berufsschulzentren treffen, erinnert Reißmann an den Auftakt. Zuerst soll die deutsche Sprache samt der nötigen Fachbegriffe intensiv gelernt werden. Verbunden wird das mit Betriebspraktika. Der Vorbereitungskurs junger Asylsuchender für eine berufliche Ausbildung (VabA) startet im September 2016. Mehrabuddin drückt in einer der beiden Klassen ein Jahr lang die Schulbank.

Im August 2017 beginnt er mit zwei weiteren Afghanen die Ausbildung zur Fachkraft für Abwassertechnik. Ausbilder Reißmann kümmert sich, ebnet so manchen Weg. „Nicht jeder Kollege in den Bereichen, wo sie ihre praktische Ausbildung absolvieren mussten, war begeistert“, sagt er. „Ich habe mit jedem Gespräche geführt, um das Verständnis zu fördern.“ Außerdem steht eine junge Studentin den drei afghanischen Azubis zur Seite. Sie übt mit ihnen zusätzlich zur planmäßigen Ausbildung einfache Berechnungen zu praktischen Tätigkeiten, lässt Protokolle zum Verlauf der Arbeitstage schreiben und sucht mit ihnen Lösungswege für verschiedene Aufgaben.

„Für mich war es sehr schwierig und hat viel Nerven gekostet“, berichtet Mehrabuddin. Er macht nach der Arbeit noch viel zu Hause, sitzt mitunter bis tief in die Nacht und büffelt. Beim praktischen Teil hat der angehende Abwassertechniker hingegen keine Probleme. Er arbeitet bei der Reinigung und Inspektion des Dresdner Kanalnetzes, auf der Kaditzer Kläranlage, beim Betrieb und der Wartung von Kleinkläranlagen und auch im Labor. „Da habe ich immer wieder Neues gelernt. Das hat mir sehr gefallen“, sagt er.

Der Ausbilder ist begeistert

Der Einsatz lohnt sich. Babrak Mehrabuddin besteht nach anderthalb Jahren die Zwischenprüfung und absolviert weitere Ausbildungsetappen. Die Theorieprüfung naht im Mai 2020. Vor solchen Prüfungen habe er ohnehin immer Angst. Hinzu kommt, dass er sich erkältet und Fieber bekommt. Dennoch schreibt er seine Prüfung. Und besteht mit der Note Drei. „Da haben wir groß gefeiert.“ Bei den folgenden praktischen Prüfungen bekommt er teilweise sogar eine Eins. So beim Rundgang, als er die technologischen Abläufe auf der Kaditzer Kläranlage erläutern muss.

Auch Ausbilder Reißmann ist begeistert. Denn nicht nur Mehrabuddin, sondern auch die beiden anderen afghanischen Azubis bestehen die Prüfungen erfolgreich. „Ich hätte nie gedacht, dass es alle schaffen. Das war mein Meisterstück“, ist er noch heute stolz. Wie für Babrak sei auch für die anderen die Theorieprüfung aufgrund der Sprachbarrieren besonders schwer gewesen. Doch alle hätten sie bereits im ersten Anlauf bestanden. „Das war irre.“

Die Abwassertechniker werden für ein Jahr befristet bei der Stadtentwässerung übernommen. „Danach wurden Stellen frei, sodass alle fest übernommen werden konnten“, erklärt Ausbilder Reißmann. Während sich Mehrabuddin um die Kläranlage kümmert, arbeitet ein weiterer im Kanalbetrieb und der Dritte setzt in der Bauabteilung Kanäle und Schächte instand.

„Bei einem so guten Unternehmen arbeiten zu dürfen, ist toll. Ich bin jetzt auch schon etwas eingedeutscht“, sagt Mehrabuddin schmunzelnd. Mit seiner deutschen Freundin und der dreijährigen Tochter wohnt er in Strehlen. Mittlerweile ist bereits das zweite Kind unterwegs. Mit Kollegen spielt er in der Freizeit in Kaditz Fuß- oder Volleyball, hat schon viele deutsche Freunde und auch eine Jahreskarte für den Zoo. Mindestens einmal monatlich schaut sich Babrak Mehrabuddin mit seiner Tochter die Tiere an. „Dort gibt es natürlich auch immer ein leckeres Eis“, sagt er.

Peter Hilbert für saechsische.de