Dresdner Kanalisationsgeschichte 33

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Teil 33: Das Schleusensystem des Residenzschlosses

1985 begann der Wiederaufbau des im II. Weltkrieg zerstörten Residenzschlosses. In diesem Zusammenhang bestand die Möglichkeit, Ausgrabungen und Bauforschung im großen und kleinen Schlosshof sowie im Umfeld des Schlosses durchzuführen. Man gewann dabei einzigartige Erkenntnisse über die sich über mehrere Bauperioden erstreckende Geschichte des fürstlichen Schlosses. Der damals im Landesamt für Denkmalpflege als Mitarbeiter tätige Frank Walther widmete sich dabei insbesondere der wassertechnischen Infrastruktur und beschrieb diese im dreibändigen Werk „Das Residenzschloss zu Dresden“ umfassend. Seine Publikationen bilden die Hauptgrundlage für den nachstehenden Artikel. Am Anfang der Entwicklung stand ein zu Beginn des 13. Jahrhunderts durch den Burggrafen von Dohna errichtetes Kastell: Es hinterließ auch entwässerungstechnische Spuren.

Entwässerungsanlagen aus dem frühen 13. Jahrhundert

Der archäologisch nachgewiesenermaßen bislang älteste Abwasserkanal Dresdens wurde unter dem heutigen Ostflügel des Schlosses gefunden. Er stammte nach dendrochronologischer Analyse aus dem Jahre 1215 und war bereits um 1230 wieder verfüllt worden, um den Bau eines kastellartigen Baus mit Turm zu ermöglichen. Der dem Abführen von Niederschlagswasser dienende Kanal bestand vorwiegend aus Pläner- und teilweise Ziegelsteinen, die im Abstand von 20 Zentimetern angeordnet und von größeren Plänerplatten abgedeckt wurden. Die Sohle war unbefestigt, die lichte Höhe betrug 25 Zentimeter (200/250). Die Kastellanlage wurde nach Norden durch eine Mauer mit daran anschließendem Burggraben abgeschlossen. An der Mauer befand sich ein um 1230 errichteter Latrinenturm. Die Verbindung des Turmes (und der Hofentwässerung) zum Burggraben bestand in einem durch ein Eisengitter gesicherten Mauerdurchlass, ausgeführt als Gewölbebogen. Dessen Sohle war mit flachen Steinplatten befestigt. Für die Reinigung bzw. Spülung der Basis des Latrinenturmes wird vermutet, dass Kaitzbachwasser herangeführt wurde. Diesem Zweck diente wohl der größte in diesem Bereich freigelegte Kanal, ein um 1300 entstandenes, von der Schlossstraße kommendes, recht massives Bauwerk mit jeweils 50 Zentimetern lichter Höhe und Breite, welches etwa 100 Jahre lang in Betrieb war. Um 1400 erfolgte eine Erweiterung der Burganlage. Damit verbunden war auch eine Neuordnung der Entwässerungsanlagen, was teilweise auch die vergleichsweise kurze Nutzungsdauer der Kanäle aus dem 13. Jahrhundert erklärt. Neue Abortanlagen, Pflasterrinnen und Kanäle entstanden. Ab 1450 gab es erneut Erweiterungen am Schloss. Neben schon älteren Brunnen wurde eine um 1470 entstandene Röhrwasserleitung entdeckt. Der Nachweis für aus dieser Bauperiode stammende Abwasserkanäle wurde mittels zweifelsfrei der Entwässerung dienenden Wanddurchlässen erbracht.

Schlossausbau während der Renaissance

In den Jahren 1548–1556 erweiterte man das Schloss im Stil der Renaissance. Die Wehrhaftigkeit der alten Burganlage war wegen des zeitgleichen Ausbaus der die gesamte Stadt umgebenden Festungsanlagen nicht mehr vonnöten. Berühmte Baumeister standen für einen exklusiven künstlerischen Ausdruck und modernste Lösungen für die Infrastruktur. Entwässerungstechnisch bemerkenswert ist, dass die westliche neu errichtete Schlosshälfte 1547/48 an ihren Innen- und Außenwänden jeweils mit 85 bis 90 Zentimeter breiten und 1,50 bis 1,56 Meter hohen und damit begehbaren Sandsteingewölbekanälen ausgestattet wurde. Sie waren mit Reinigungsschroten und Regenwasserabläufen ausgestattet. Vor allem aber stellten die den Endpunkt von aus den oberen Stockwerken herabführenden Abtrittsfallschächten dar. Die Gebäudefundamente bzw. -mauern enthielten dazu dementsprechende Aussparungen. Eine dieser Öffnungen ist im Bereich der heutigen Schlosstoiletten zu sehen. Zu Spülzwecken führte ein Abzweig des unmittelbar an der östlichen Außenmauer zur Schlossstraße verlaufenden Kaitzbaches, mit einer Wehranlage geregelt und unterhalb des kleinen Schlosshofes liegend, Wasser heran. Die Hinterlassenschaften der Schlossbewohner wurden – allerdings wohl nicht ohne das Erfordernis regelmäßigen manuellen Nachreinigens – per Abschwemmung davongetragen, ein Entsorgungsprinzip, welches erst im 19. Jahrhundert für die moderne Stadtentwässerung wieder aufgegriffen werden wird. Der zum Schmelzhaus der ehemaligen kurfürstlichen Münze (auf der Fläche der später errichteten Hofkirche befindlich) und weiter zur Elbe führende Sammelkanal verlief an der nördlichen Schlossmauer und nahm die Abwässer des westlich der Loggia bzw. des Altans die Gebäude querenden, inneren (bis heute erhaltenen) Kanals auf. Teile des auf 1547/48 datierten nördlichen Hauptentwässerungskanals wurden im Zuge von Tiefbauarbeiten für das Restaurant „Anna im Schloss“ im Jahre 2019 freigelegt. An der nordwestlichen Ecke des Schlosses muss sich noch um das Jahr 1765 der Anschluss des in Richtung Altstädter Wache bzw. Sophienstraße weiterführenden Kanals befunden haben (siehe nächste Klaro). Im nördlichen, östlichen und südlichen Schlosshof wurden in verschiedener Größe Regenwasserkanäle des 16. bis 18. Jahrhunderts für die Hof- und Dachentwässerung vorgefunden. Wegen ihrer oberflächennahen Lage waren sie mit flachen Abdeckungen aus Sandsteinplatten versehen. Die Sohlplatten verfügen teilweise über in den Stein eingearbeitete Rinnen, die wohl im 18. Jahrhundert üblich wurden und die bislang geraden Sohlen ablösten.

Wassertechnische Anlagen im kurfürstlichen Stallgebäude

1586 wurde unter Kurfürst Christian I. (1560–1591) für bis zu 128 Reitpferde ein repräsentatives Stallgebäude, das heutige Johanneum, errichtet. Es verfügte über modernste, wassertechnische Ausstattungen. Die Versorgung der Pferde erfolgte, einschließlich der ebenfalls bis heute erhaltenen Pferdeschwemme im Stallhof, mit Röhr- und Kaitzbachwasser von der Schlossstraße. Unter den Innenmauern des U-förmigen Gebäudes befand sich ein Abwasserkanalsystem, welches den Urin der im darüber befindlichen Erdgeschoss stehenden Pferde und Reinigungsabwasser aufnahm. In den heute für Versorgungsleitungen genutzten Kanälen befanden sich Revisionsschächte, Einlauföffnungen und Stauvorrichtungen. Staubretter konnten in die in das Sandsteinmauerwerk eingearbeiteten Nuten eingesetzt werden und sorgten im Falle anstehender Reinigungsarbeiten für die Bereitstellung größerer Wassermengen. Die Ableitung der Abwässer erfolgte über den in den 1560er Jahren erbauten ersten städtischen Hauptschleusenkanal in Richtung Elbe.

Autor: Frank Männig, Stadtentwässerung Dresden GmbH, wird fortgesetzt.