Dresdner Kanalisationsgeschichte

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Teil 26: Neuanfang mit hanseatischer Unterstützung

Zum Ende der DDR-Zeit lag die Dresdner Abwasserwirtschaft darnieder. Fast das gesamte Abwasser wurde über Grund- ablässe und Überlaufschwellen direkt
in die Elbe geleitet. Nach dem Mauerfall im Jahr 1989 rückte man jedoch den gröbsten Schwachstellen im System zügig zu Leibe.

Städtepartnerschaft Hamburg–Dresden

Mitte der 1980er Jahre hatte eine Phase politischen Tauwetters zwischen dem Westen und dem Ostblock begonnen. Das verbindende Element „Elbe“ rief Politiker in der Hansestadt Hamburg auf den Plan, Schritte der Annäherung in das elbauf- wärts gelegene Dresden zu unternehmen. Nachdem auch die SED-Führung in
Ost-Berlin von der Idee einer Städte- partnerschaft überzeugt werden konnte, schloss man Ende 1987 einen entspre- chenden Vertrag. Es folgten gegenseitige Besuche, gemeinsame Veranstaltungen
u. v. m. Insbesondere erforderte auch der Umweltschutzbereich eine Kooperation zwischen den beiden Städten: Hamburg war stark von der damals extremen Verschmutzung des Flusses betroffen und hatte größtes Interesse, dies zu ändern. Die Hauptverursacher der Elbverschmut- zung waren zwar marode tschechische und DDR-Industriebetriebe, aber eben auch die ungeklärten Abwässer der Großstadt Dresden.
Im Dresdner Hauptkanalnetz lagen seinerzeit 30 bis 40 Tausend Tonnen teilweise festgelagerte Sedimente. Diese galt es schnellstmöglich zu beseitigen, um den ungehinderten Fluss des Abwassers zur KA Kaditz zu ermöglichen. Deren Umbau hatte 1986 begonnen. Nach dem Komplettausfall im Jahre 1987 sollte ab 1991 wieder Abwasser geklärt werden
können.

Hamburger Hilfe

Die Verantwortung für den Dresdner Ab- wasserbereich lag bis 1989 bei Siegmund Hanicke, dem Dieter Voßberg folgte. Ab 1991 übernahm Rainer Wiesinger den Chefsessel. Der ihm untergeordnete Lei- terposten für „Entwässerungsnetze“ wur- de neu geschaffen und mit Oswald Krause besetzt. Als Ingenieure und Meister waren Uwe Haferkorn, Ralf Dymak, Steffen Gasch, Bernd Jäckel und Frank Lieber tätig. Ihnen oblag die Entgegennahme
der vom Hamburger Senat beschlossenen Hilfsleistungen in Form von drei neuen Spezialfahrzeugen (zwei Hockdruckspüler (HDS) vom Typ Wassermeister und ein Tiefensauger) im Umfang von 1,5 Mio.
DM, des Weiteren mehrere ausrangierte Fahrzeuge (HDS, Saugwagen, LKW mit Kran, zwei Kolonnenwagen und ein TV- Fahrzeug). Dresdner Kollegen reisten zu einem einwöchigen Schulungsaufenthalt nach Hamburg. Danach überführten sie die neue Kanaltechnik nach Dresden, wo sie sofort zum Einsatz kam.
Der Chef der Hamburger Stadtent- wässerung, Joachim Lenz, und einige seiner Mitarbeiter hielten sich aber auch zeitweise in Dresden auf und berieten nicht nur in technischer Hinsicht, sondern
z. B. auch zu Fragen der Einstufung von Kanalbetriebsarbeitern, einem damals neuen Berufsbild. Die Belegschaft des Dresdner Kanalnetzbetriebes wuchs in dieser Zeit von etwa 20 auf 50 Mitarbeiter an.

Grundreinigung

Zunächst galt es, den zu erwartenden Reinigungsaufwand und den baulichen Zu- stand des Kanalnetzes zu ermitteln, womit der Jungingenieur Ralf Dymak beauftragt wurde. Unter Mitwirkung des Hamburger Ingenieurbüros Kupczik begann 1991 die Bestandsaufnahme. Jeweils Dienstag bis Donnerstag fanden Kanalbegehungen statt, danach erfolgte die Dokumenta- tion der Ergebnisse in Hamburg. Hohe Ablagerungsmengen fanden sich in beiden Abfangkanälen sowie in den Gebiets- hauptkanälen Schaufußstraße, Uniklinik, Bundschuh- sowie Herbststraße, extreme Verschmutzungen im „Brauereikanal“ entlang der Bienertstraße. In den übrigen Flutkanälen stieß man nur in geringem Umfang auf Ablagerungen. Überraschen- derweise wurden kaum gravierende bauli- che Schäden festgestellt. Ein abgesackter Schacht an der Schubertstraße, unter dem sich sauerstoffarme Atmosphäre gesam- melt hatte, hätte – trotz für die Haltung aufgebauter Zwangslüftung mittels eines Gebläses – bei Ralf Dymak beinahe zu einem tödlichen Unfall geführt.
Hamburger Kollegen begleiteten die beginnenden Grundreinigungsaktivitäten, die Ende 1990 begannen und 1994
zum Abschluss kamen. Zeitweise waren drei Firmen in freier Vergabe (reguläre Ausschreibungsverfahren waren noch nicht etabliert) parallel beauftragt.
Die zu Beginn zum Einsatz kommende Technik der Firma Kupczik war eine Mischung aus Abbau- und Saugtechnik mit dem markigen Namen „Sielwolf“, einem durch eine Winde gezogenen Stauschild mit Absaugvorrichtung. Die Kosten betrugen rund 1 Million DM pro Kilometer. Allerdings gingen die Arbeiten nicht so zügig voran wie erhofft und das bewilligte Budget von 4 Millionen DM für das Jahr 1990 reichte nicht aus. Statt
4 km wurden bis Oktober nur 2,2 km bewältigt. Der „Kanal-Jumbo“ der Firma Pekico war dann ab 1992 die deutlich leistungsstärkere Technologie. Besondere und mitunter nicht ungefährliche Funde waren Autoteile, Munition und Gewehre, sowie – im Bereich der Uniklinik – Kran- kenfahrstühle und massenhaft Kanülen. Der letzte, grundhaft zu reinigende Ab- schnitt des Altstädter Abfangkanals vom Unterhaupt des Flügelwegdükers bis zu
KA wurde 1994 bereits ordnungsgemäß ausgeschrieben und ging an Firma Panse aus Wetzlar.

Sanierung des Flügelwegdükers

Bald brachte die Hamburger Firma Sireg an mehreren Punkten des Kanalnetzes leistungsstarke Hochdruckspül- und Vakuumtie- fensauger zum Einsatz, mit denen u. A. a. der Flügelwegdüker gespült wurde. Bei der nachfolgend veranlassten und durch die Hansa-Taucher durchgeführten Tast-Inspektion des weiterhin mit Wasser gefüllten Trockenwetterrohres wurde festgestellt, dass dessen Sohle auf
einer Breite von 20 cm durchgeschliffen war, was das Initial für das erste große Kanalnetz-Bauvorhaben nach der Wende lieferte. Bereits im Februar 1992 erfolgte die Dükersanierung mittels Schlauch- relinings.
Mit einer Länge von 230 m DN 1100 war dieses Vorhaben für die ausführende Firma Insituform Brochier ein vielbeachteter technischer Rekord.

Autor: Frank Männig, Stadtentwässerung Dresden GmbH, wird fortgesetzt.